Impulse für Sonntag, den 11. April 2021 (2. Sonntag der Osterzeit / Weißer Sonntag / Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit)

Die beiden Lesungen des Sonntags handeln vom Gebot der Gottes- und Nächstenliebe als Grundlage jeder christlichen Gemeinde. In der Apostelgeschichte (Apg 4,32-35) heißt es: „Die Menge derer, die gläubig geworden waren, war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt.“ Im Ersten Johannesbrief (1 Joh 5,1-6) lesen wir: „Daran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben: wenn wir Gott lieben und seine Gebote erfüllen. Denn darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.“

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Das Evangelium nach Johannes (Joh 20,19-31) erzählt die Geschichte vom „ungläubigen Thomas“. Aber ist Thomas wirklich „ungläubig“? Auch die anderen Apostel wollen laut Lukas-Evangelium (Lk 24,10-12) den Frauen Maria von Magdala, Johanna und Maria, der Mutter des Jakobus, erst nicht glauben, dass Jesus auferstanden ist: „Die Apostel hielten diese Reden für Geschwätz …“ Petrus ist erst überzeugt, als er das leere Grab mit eigenen Augen sieht. In der Emmaus-Geschichte (Lk 24,13-25) begegnen wir zwei Jüngern, die nicht nur voller Zweifel, sondern sogar verzweifelt sind. Man kann Thomas also keinen Vorwurf machen, dass er Sicherheit haben will. Er befindet sich in einer ähnlichen Situation wie wir, die 2000 Jahre später die Osterbotschaft hören. Uns und den Christen der Urgemeinde, die Jesus nicht mehr erlebt hatten, gilt der Satz „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“. Das heißt nicht, dass die anderen „unselig“ und zu verurteilen sind. Es bedeutet, dass diejenigen, die glauben können, ohne zu sehen, besonders glücklich zu schätzen sind.

Wie können wir Christus heute „sehen“? Es gibt das mystische Erleben seiner Gegenwart – aber das ist eine höchst persönliche Glaubenserfahrung. Jesus selbst hat uns einen wichtigen Hinweis hinterlassen: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Hier berühren sich Gottes- und Nächstenliebe, von denen in den beiden Lesungen die Rede ist. Um Christus heute zu „zeigen“, sind Zeugen seiner Liebe notwendig. Alle Christen sind dazu berufen, dieses Zeugnis abzulegen.

Hier ist der Wortlaut des heutigen Evangeliums:

„Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: ‚Friede sei mit euch!‘ Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.

Jesus sagte noch einmal zu ihnen: ‚Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.‘ Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: ‚Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.‘

Thomas, der Didymus – Zwilling – genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: ‚Wir haben den Herrn gesehen.‘ Er entgegnete ihnen: ‚Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.‘

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: „Friede sei mit euch!“ Dann sagte er zu Thomas: ‚Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!‘ 28 Thomas antwortete und sagte zu ihm: ‚Mein Herr und mein Gott!‘ Jesus sagte zu ihm: ‚Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.‘

Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“

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Als Lied zum heutigen Evangelium empfehlen wird GL 331: „Ist das der Leib, Herr Jesu Christ“ von Friedrich Spee (1591-1635), veröffentlicht 1623. Friedrich Spee war Jesuitenpater und gilt als einer der großen deutschen Barockdichter. Berühmt wurde er auch durch seinen Kampf gegen die Hexenverfolgungen. Er steckte sich bei der Betreuung und Pflege von Pestkranken an und starb im Alter von 44 Jahren. In der gegenwärtigen Pandemie ist das eine Geschichte, die uns besonders zu Herzen geht. Friedrich Spee ist ein Heiliger ohne Heiligsprechung. Im Erzbistum Köln wird er als „heiligmäßige Person“ verehrt.

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Gute Gedanken zum heutigen Evangelium haben wir unter anderem auf der Homepage der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München gefunden:

Ist der „ungläubige Thomas“ wirklich ungläubig?


Der „ungläubige Thomas“ ist sprichwörtlich geworden. Thomas ist zwar nicht ausdrücklich zum Schutzpatron der Zweifler erhoben, inoffiziell aber könnte er durchaus diese Funktion wahrnehmen. Nun wäre ein solcher Heiliger gewiss nicht ohne Reiz; fraglich aber ist, ob sich diese Figur auf den Thomas des Johannes-Evangeliums zurückführen ließe. Dessen Geschichte lässt sich auch anders lesen als unter dem Stichwort des Zweifels und „Unglaubens“.

Thomas übernimmt nicht leichtfertig die Botschaft von der Begegnung mit dem gekreuzigten Herrn, sondern sucht Vergewisserung. Nur scheinbar verlangt er mehr als das, was auch den anderen Jüngern zuteil wurde. Seine Forderung nach Berührung von Wundmalen und Seite Jesu (20,25) geht zwar über die erste Erscheinung hinaus, da die Jünger die Wundmale Jesu nur gesehen haben (20,20). Die zweite Erscheinung wird aber nicht so erzählt, dass Thomas seine vorherige Forderung ausführte und daraufhin zum Glauben käme. Als Jesus kommt, ist die Berührung nicht mehr nötig; schon auf die Einladung Jesu hin spricht Thomas das Glaubensbekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“ (20,28).

Jesus entspricht der Forderung des Thomas, ohne ihm einen Vorwurf zu machen. Thomas wird die Vergewisserung angeboten, nach der er verlangt hatte. Erst nach diesem Angebot erfolgt die Aufforderung, nicht ungläubig zu sein, sondern gläubig. Thomas wird also für seine Bedingung („Wenn ich nicht an seinen Händen die Male der Nägel sehe ...“) nicht kritisiert. Diese wird vielmehr ernst genommen als Station auf dem Weg zum Glauben, zu dem der Auferstandene den Jünger führt. So ist es Thomas, der von den Figuren des Johannes-Evangeliums das ausdrucksstärkste Bekenntnis spricht: „Mein Herr und mein Gott.“

Auch der Spruch „Selig, die nicht sehen und doch glauben“ (20,29b) muss nicht als Tadel des Thomas gelesen werden. Als Osterzeuge beruht sein Glaube (wie auch der der anderen Jünger) auf dem Sehen (20,29a); dies ist eine Feststellung, kein Vorwurf. Anders die Situation der späteren Glaubenden: Sie haben keine Ostererscheinung, können aber trotzdem zum Glauben kommen und sind deshalb selig zu preisen. Vor allem um dies zu betonen, wird die Geschichte von Thomas erzählt, nicht um den Glauben zu kritisieren, der auf dem Sehen gründet.

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