Palmsonntag in Jerusalem - Gedanken zum Pessach-Fest

 

Das Video über die Jerusalemer Palmprozession 2014, auf das unten im Text Bezug genommen wird, finden Sie hier auf unserem YouTube-Kanal

In diesem Jahr feiern jüdische Familien in aller Welt den Beginn der Pessach-Festwoche am Abend des 27. März mit einem „Seder“. Der Seder ist ein zeremonielles Abendmahl zum Gedenken an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Es handelt sich um eine zugleich fröhliche und ernste Feier mit Schriftlesungen, Gebeten, Betrachtungen, symbolischen Handlungen und Gesängen, die gerade auch Kinder anspricht. Gegen Ende wird das Hallel (Psalmen 113–118) gebetet oder gesungen. Vom Wort „Hallel“ leitet sich übrigens das auch in der christlichen Liturgie gebräuchliche „Halleluja“ ab.

Dass die Pessachwoche der Juden und die Heilige Woche der Christen zeitlich nahe beieinander liegen und sich manchmal – wie 2021 – sogar überschneiden, ist kein Zufall. Den Evangelien zufolge ereignete sich die Leidens- und Auferstehungsgeschichte Jesu im Zusammenhang mit einem Pessachfest. Sowohl Pessach als auch Ostern sind „bewegliche Feiertage“, weil ihr Datum – wenngleich auf unterschiedliche Weise – von den Mondphasen abhängt.

Das Video zeigt die Palmprozession in Jerusalem am Sonntag, den 13. April 2014. Sie beginnt in Betphage, führt den Westhang des Ölbergs hinab, vorbei am Garten Getsemani, durch das Kidron-Tal, dann aufwärts zur Altstadt von Jerusalem; dort durchqueren die Prozessionsteilnehmer das Löwentor und nehmen an der Abschlusszeremonie auf dem Gelände der Sankt-Anna-Kirche teil. Sankt Anna liegt rechts vom Löwentor; linker Hand geht es hoch zum Tempelplateau. Es herrscht eine fröhliche Stimmung. Menschen aus allen Kontinenten und verschiedensten Sprachfamilien kommen hier zusammen. Es sind übrigens nicht nur Pilger, denn die in großer Zahl teilnehmenden palästinensischen Christen haben schon seit vielen Jahrhunderten ihre Heimat im Heiligen Land.

Wenn man diesen Weg auf den Spuren Jesu geht, bekommt man ein Gefühl dafür, welche Stimmung bei seinem Einzug nach Jerusalem vor bald 2000 Jahren geherrscht haben mag. Eine große Volksmenge jubelt Jesus begeistert zu mit den Worten: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!“. Anschließend geht er zum Tempel, vertreibt Händler und Geldwechsler und heilt Lahme und Blinde. Damit zieht er sich den Ärger des hohen Tempelklerus zu. Diese Leute haben sich mit der römischen Besatzungsmacht arrangiert. Deshalb ist es falsch zu sagen „Heute rufen die Leute ‚Hosanna!‘, morgen schon rufen sie ‚Kreuzige ihn!‘“ Die Vielen, die „Hosanna!“ rufen, sind gerade nicht identisch mit den Wenigen, die Jesus den Römern ausliefern und „Kreuzige ihn!“ rufen.

Auf dem Video und den Fotos können Sie sehen, dass die Prozessionsteilnehmer richtige Palmzweige benutzen, nicht die bei uns üblichen Buchsbaumzweige. Manche halten auch Ölzweige in der Hand. À propos: Nur im Deutschen spricht man vom „Ölberg“, in anderen Sprachenheißt es korrekter „Olivenberg“. Möglicherweise kommt der Name „Getsemani“ aus dem hebräischen „Gat Schemanim“, „Kelter der Öle“. Aus der Passionserzählung kennen wir den Garten Getsemani als den Ort, an dem Jesus betet: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Hier wird Jesus festgenommen, und von hier aus wird er vor den Hohen Rat geführt.

Die Kreuzigung war keine jüdische, sondern eine römische Form der Todesstrafe, eine besonders entehrende Form. Während der römischen Besetzung des Heiligen Landes wurden insgesamt mehrere tausend Juden ans Kreuz geschlagen. Es war also die römische Besatzungsmacht, die Jesus grausam hinrichtete und ihn auch noch mit dem über seinem Haupt angebrachten Schild „Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum (INRI) – Jesus von Nazaret, König der Juden“ verhöhnte. Das sollte eine Warnung an alle sein, die zu Recht oder zu Unrecht als Aufrührer verdächtigt wurden (im Fall von Jesus zu Unrecht).

Pessach und Ostern handeln auf je eigene Weise davon, dass Gott Menschen aus der Knechtschaft befreit. Beide Feste dürfen Juden und Christen nicht voneinander trennen; ihre Nähe zueinander ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass Juden und Christen, wie Paulus (Röm 11,16–24) schreibt, ihre Kraft aus derselben „Wurzel des edlen Ölbaums“ ziehen.

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